Oroitz Iturriaga

memoria simplex


Montag, die Sonne blau, der Himmel strahlend, warme Wolken. Wer hätte da nicht gerne nach den Sternen gegriffen? Und doch lässt sich der Lauf der Dinge meist nicht und manchmal nur schwer ändern.

Die erste bewusste Aktion jeden Tages: der Wecker. Die erste bewusste Entscheidung: das Frühstück. Der erste Zweifel: die Träume der vergangenen Nacht.

Ein junger Mann steht an der Bushaltestelle und wartet. Es ist Montag, die Ampel springt auf Grün, eine alte Frau überquert in angemessenem Tempo die Straße. Hinter einem Fenster sitzt eine Katze und sieht einem Radfahrer nach, der um die Ecke biegt. Um die Ecke biegt auch ein Bus, am Steuer sitzt eine Frau mit kurzen Haaren und freundlichem Lächeln. Der junge Mann steigt ein.

Als die Zeit sich eine Pause nimmt, steigt der Druck auf die Erwartung und im richtigen Augenblick lächelt die Erinnerung an die Zukunft zurück.

Denn was wir nicht wissen und nicht wissen können ist, ob unsere Definition von Zukunft und Vergangenheit im Eigentlichen auch korrekt ist. Nur der augenblickliche Moment kann Gewissheit geben, Zeit ist für uns nicht beeinflussbar. Und die gedankliche Korrelation zwischen vor uns liegender Zukunft und hinter uns liegender Vergangenheit, die unserem Kulturkreis innewohnt, kann nicht bewiesen werden.

Als die Zeit sich eine Pause nimmt und der Fluss des Lebens über die Ufer steigt, strömt Sonnenlicht, fließen Wellen und Teilchen durch die Welt hindurch und die unbekannte Kraft, die von der Wissenschaft notwendigerweise unentdeckt gebliebene Kraft der metaphysischen Verbindung aller Materie und Nicht-Materie zeigt ihre Wirkung.

Ein Wecker, der klingelt, den niemand hört. Ein Frühstück, zubereitet und gegessen, aber nicht erdacht. Ein Traum, Alptraum vielleicht sogar, weder registriert noch reflektiert.

Als die Zeit sich eine Pause gönnt, versinkt der Moment in Nebelschwaden vergangener Zukunft und im ewigen Wettkampf zwischen Gut und Böse vergessen beide Seiten warum und woher sie sind.

Ein junger Mann überquert die Straße, die Ampel zeigt rot, es ist Montag und die Katze sitzt im Fenster. Leicht verdeckt von schweren Wolken ein Regenbogen am Himmel, das ist gut. Glitzernd in der Sonne fällt in großen Tropfen Regen zu Boden und die alte Frau kommt vom Friseur, das ist böse.

Als die Zeit Pause machen muss, um zu entscheiden, ob sie vorwärts oder rückwärts laufen will, nehmen sich Vergangenheit und Zukunft zärtlich an der Hand und bedenken ihre Lage.

Frau Holle wird manchmal als alte Frau dargestellt. Als Muttergöttin, Erdgöttin, Fruchtbarkeitsgöttin freilich wäre sie nicht darauf beschränkt. Warum Religionen dann doch eher zu Lust-beschränkten männlichen Blitzeschleuderern übergehen ist freilich eine andere Geschichte.

Hinter einem Fenster sitzt eine Katze, die Sonne spiegelt sich im Glas, an der Kreuzung ein Bus und Montag ist Zukunft, Montag ist Vergangenheit, ein Schmetterling sitzt auf der Ampel. Die Zeit pausiert, fang den Moment.